Kultur für alle

19. Internationale Buchmesse in Havanna. Kubanische Büchershow

Von Dorle Gelbhaar

Russland hat eindeutig den schönsten Stand auf dieser Messe. Tief zieht er sich in die Messehalle hinein. Wunderbar illustriert mit vielen Neuerscheinungen. Der Besucher kann sich in angenehmem Ambiente von einem zum anderen prachtvollen Buch treiben lassen. Alles wird neugierig zur Hand genommen. Die Nachfrage nach Bänden mit Plakaten etwa ist groß. Sie sind schnell vergriffen. Aber was verkauft sich hier nicht rasant?

Lebensmittel Buch
Besonders an den Wochenenden – dem nach der Eröffnung wie dem das Ereignis beschließenden – bilden sich lange Schlangen. Erst aus der Nähe ist zu erkennen, ob die Menschen nach Pizza, Pollo (Geflügel) Kuchen oder mit Fleisch gefüllten Brötchen anstehen oder eben nach Büchern, die hier ein wichtiges Lebensmittel sind und überaus preiswert dazu. Wer hier ausstellt, macht keinen Profit, verkauft sein Produkt ganz im Gegenteil meist weit unterhalb des daheim verlangten Preises. Bei den ausstellenden Verlagen aus 40 Ländern kann in der Regel davon ausgegangen werden, dass sie ihr Engagement auch als Geste der Solidarität verstehen. Etwa 600 Neuerscheinungen werden in Havanna vorgestellt. Über 600 000 Besucher und Besucherinnen wird die Messe am Ende gehabt haben.

Lesefest
Zum Charme dieses Festes trägt der Ort, die Fortaleza San Carlos de la Cabana, wesentlich bei. Wie eine riesige mittelalterliche Burg mutet die Festungsanlage am Hafen von Havanna an, in deren Mauern das Ganze stattfindet. Von den Zinnen dieser Burg sieht man das Meer und die Silhouette der Hauptstadt. Abends finden Freiluft-Konzerte statt. Auch das Ballett des Moskauer Bolschoi-Theaters ist nach langer Zeit wieder vertreten. Es reiht sich ein in die Schar von zirka 200 aus Russland entsandten Autoren und Künstlern und 3500 angebotenen Büchern.

Politisch wird hier auf der Wellenlänge der Solidarität mit dem kubanischen Weg geschwommen, mit dem nach 1990/91 infolge zusammengebrochener Außenwirtschaftsbeziehungen, Wirtschaftsblockade und Hurricans ökonomisch ausgebluteten Volk. Als die Messe selbst im Jahr 2004 boykottiert wurde, ist sie bekannt geworden in der Welt. In Lateinamerika ist sie ohnehin die zweitgrößte. Das Lesefest soll noch in 16 kubanischen Provinzen fortgesetzt werden.

Währungen
Problemlos kann auf der Messe Geld aus der einen Währung in die andere umgetauscht werden. Auch die nationalen Pesos in die „Cooks“. In den Besitz dieser Währung, mit der ausländische Touristen sich vor Ort bestens mit Waren versorgen, kann so auch jeder Kubaner gelangen. Die nationale Währung sichert das Überleben. Aus der Zeit des Hungers sind außerdem noch die Lebensmittelkarten erhalten geblieben. Aber Industriegüter und Schmäckerchen sind meist nur für Cooks zu haben, und von denen besitzen die Habaneros einfach viel zu wenig. Selbst in der bekanntesten Eisdiele Havannas werden Cooks verlangt.

Ort des Nachdenkens
Etwa 11 Millionen Menschen leben in Kuba. Sie sind gut gebildet und medizinisch versorgt. Fremdsprachen beherrschen die Studierenden sehr gut. Dabei nimmt das Deutsche eine wichtige Rolle ein. 40.000 Kubaner sollen Deutsch beherrschen. Viele von ihnen haben in der DDR studiert und bezeichnen dies als eine für sie prägende Erfahrung. Im Tourismus, im Taxigeschäft sind die Fremdsprachen-Kenntnisse jetzt schon von Vorteil, in der Diplomatie natürlich ebenso.

Enttäuscht äußern sich auch in Havanna lebende Deutsche bei Besuchen der deutschen Messestände (Deutscher Gemeinschaftsstand Frankfurter Buchmesse, Stand von Cuba si, Stand des Verlags 8.Mai GmbH/ Tageszeitung „Junge Welt“ sowie der Gewerkschaft ver.di und der Freundschaftsgesellschaft Deutschland-Kuba) über das Wenige, was sich in Amerika in puncto Öffnung getan hat. Die Erinnerung an durchstandene Hungerzeiten habe sich in das nationale Bewusstsein eingebrannt. Logisch, auch heute gibt es ausreichend Nöte in der Versorgung.

Es wäre den Kubanern zu wünschen, dass ihnen ihre Suche nach dem eigenen, nicht von anderen übergestülpten Weg so gelingt, dass sie Gewonnenes erhalten und Vermisstes erlangen können. Ihre Bildung und ihre Offenheit werden ihnen dabei helfen.

vorwärts vom 26.02.2010, online unter www.vorwaerts.de/trackback/9912

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